|
Oberlausitz - Tagestour |
Karte zeigen (24 KB) |
Böhmische Dörfer
Es ist eine Reise in die heile Welt einer
geruhsamen Vergangenheit. Das "Tal der Ahnungslosen" nannte man zu DDR-Zeiten ein wenig
spöttisch den abgelegenen Winkel im Dreiländereck von Sachsen, Polen
und Tschechien. Land und Leute haben sich viel von ihrer liebenswerten Ursprünglichkeit bewahrt, eine unentdeckte Idylle mitten im Herzen
Europas.
Die Oberlausitz erreicht man von Westen kommend über die Autobahn A4
Richtung Görlitz. Die Tour beginnt in Bautzen. Am besten nimmt man die
Abfahrt Bautzen-Ost und begibt sich über die B156 auf die B6 Richtung
Löbau.
Hat man ein wenig Zeit, empfiehlt sich als richtige Einstimmung
ein Spaziergang durch das tausendjährige Bautzen, die "Stadt der
Türme" mit mächtigen Burg- und Festungsanlagen. Hier sind auch
die Sorben und Wenden zu Hause, eine deutsche Minderheit, die in Bautzen
so etwas wie einen eigenen Regierungssitz haben. Da sie auch eine eigene
Sprache pflegen, werden die oft zweisprachigen Ortsschilder
verständlich, von denen man zunächst annimmt, sie wären
deutsch-polnisch.
Die B6 führt nach Löbau und mitten durch diese offensichtlich immer
noch im Umbruch befindliche Kleinstadt, die mit abenteuerlichen
Baustellen und Umleitungen das schöne Gesicht ihrer so lange
vernachlässigten bürgerlichen Atmosphäre zu verbergen versucht.
Einmal hier, sollte man den kleinen Umweg über Ober- und
Niedercunnersdorf nicht scheuen – dort kann man eine ganze Reihe der
stattlichen Manufakturen ehemaliger Weberei-Zentren bewundern. Die
wunderschön wieder hergestellten Häuser bieten faszinierende
Fotomotive und erinnern unwillkürlich an Gerhart Hauptmanns
sozialrevolutionäres Drama "Die Weber": Hier waren sie zu
Hause!
In Herrnhut, das wohnanständige evangelische Glaubensbrüder 1722 als
religiös Verfolgte mit ihrer "Evangelischen Brüder Unität"
gegründet haben, kommt man wieder auf die B178. Sie führt
schnurstracks nach Zittau, direkt ins Zentrum der Oberlausitz.
Deutschlands südöstlichste Stadt war früher eine bedeutende
böhmisch-sächsische Handels- und Bierbrauermetropole und strahlt einen
Charme aus, der den meisten Städten der "alten Bundesländer"
längst verloren gegangen ist. Die Motorräder kann man problemlos auf
dem Kopfsteinpflaster des Marktplatzes parken. Weil alles so nah
zusammen liegt, ist es am besten, die Stadt zu Fuß zu erkunden.
Die Innenstadt von Zittau umgibt eine Einbahn-Ringstraße, von der man
Richtung Süden abzweigt. Die Route führt direkt hinauf zu den dicht
bewaldeten Höhenzügen rund um Lückendorf und zum Aussichtsturm
Hochwaldblick in 749 Meter Höhe. Die steile Straße – immer dicht
entlang der tschechischen Grenze – ist Teil einer ehemaligen
Bergrennstrecke.
Fährt man die Höhenstraße weiter, kommt man nach Oybin, dem
traditionellen Urlaubsort der Region. Hier ist alles aufs Angenehmste
für Erholung suchende Besucher hergerichtet. Kaffee und Kuchen sind von
feinster Qualität, und im reich ausgemalten hölzernen Bergkirchlein
wird eine Hochzeit nach der anderen zelebriert. Die Krönung ist ein
Besuch der sagenumwobenen Burgruine, die oben auf dem gewaltigen
Sandsteinfelsen thront. Neben der prähistorischen Wallanlage und der
romantischen Klosterkirchenruine aus dem 14. Jahrhundert, gibt es noch
den geheimnisvollen Blutstein, ein hübsches Ausflugslokal und die
ungewöhnliche "Camera Obscura" zur Sonnenbeobachtung mit
Zeiss-Optik und einem Trabbidach als Projektionsfläche.
Tief unten schnauft gerade die gemütliche Bimmelbahn, im Volksmund
"Zoje" (Zittau-Oybin-Jonsdorfer-Eisenbahn) genannt, zur Freude
aller Dampfbahnnostalgiker über ihre tägliche Strecke. Im Talgrund
liegt die "Teufelsmühle", ein deftiges Spezialitätenlokal,
das eine Menge einheimischer Köstlichkeiten bereit hält: Teichelmauke,
Stupperle und Abernplooze heißen die Gerichte zum Beispiel. Weiter oben
im Wald stehen wie überdimensionale Pilze die roten Kelschsteine, die
gerne von Extremkletterern zum Üben benützt werden.
Die für die Oberlausitz typischen "Umgebindehäuser" findet
man hier überall – so auch im idyllischen Museumsdorf Waltersdorf
oder auch in Großschönau. Ihre alte slawische Bauweise mit
raffinierten hölzernen Bögen, Stützkonstruktionen, Spannriegeln und
Kopfbändern – dem "Umgebinde" ist eine bodenständige
Volksarchitektur und war beileibe keine Arme-Leute-Bauweise.
Die Oberlausitz hatte zudem schon immer eine besonders aktive und
erfindungsreiche Kleinindustrie. Davon zeugen die historischen
hölzernen Bockwindmühlen, wie etwa die heute noch betriebene
Birkmühle in Oberoderwitz. Zudem war hier, teilweise in winzigen
Werkstätten, eine ganz spezielle Motorradindustrie zu Hause. Um diese
heimatlichen Schätze zu bewahren und vorzustellen, hat sich in
Großschönau ein kleines Museum der besonderen Art etabliert. Horst
Fiebinger wird jedem Interessierten gerne sein "Technik- und
Motorradmuseum" persönlich zeigen. Ein Muss für jeden Motorradfan!
Auch wenn man dafür manche Baustelle in Kauf nehmen muss, empfiehlt
sich die Rückfahrt über die B 98 Richtung Bischofswerda. Die Fahrt
durch die vielen anheimelnden Dörfer entführt immer wieder in eine
noch relativ unverdorbene Welt voll deutscher Geschichte und
sächsisch-böhmisch-schlesischen Traditionen. Wer es sich zeitlich noch
leisten kann, sollte einen Abstecher ins benachbarte Tschechien und
Polen machen. Grenzüberschreitende Probleme gibt es ja zum Glück heute
nicht mehr.
Sonstiges
Stadtspaziergang:
Nostalgisch:
Riesig:
Ausgegraben: |
Zum Bummel durch Zittau startet man am besten vom
Marktplatz aus.
In kleinen Werkstätten ruhen die Überreste einer ehemals
florierenden Motorradindustrie.
Die roten Kelchsteine tauchen wie urzeitliche Waldgnome zwischen
den Tannen auf.
Die 600er Norton ist im Motorradmuseum Großschönau zu bewundern. |
Kurz-Check
Streckenlänge:
Kartenmaterial:
Weitere Infos: |
ca. 240 km
Aral Freizeitkarte Blatt 16
Fremdenverkehrsgemeinschaft Zittauer Gebirge
Markt 1 (Rathaus)
02763 Zittau
Tel. (03583) 7522-00
Fax (03583) 7522-61 |
Motorrad-Hotel
Hotel "Hochwaldblick", Kammstraße 13, 02797 Lückendorf
Tel. (035844) 72835
Landgasthof "Bad Neuschönau", Gründischer Weg 2, 02779 Großschönau
Tel. (035841) 3777-7
Fax (035841) 3777-9
motorrad saison 2/2000 - Aral AG Kundenmagazin
|